Silent Friend

Ab 6 Jahren  |  147 Minuten | Regie: Ildikó Enyedi | Darsteller: Luna Wedler, Tony Leung Chiu-wai, Léa Seydoux u.a. | HU/FR/DE/CN 2025

Seit weit über 100 Jahren sind seine Wurzeln mit der Erde fest verwachsen, seine Krone ragt in den Himmel hinein. Was wäre - was ist -, wenn nicht nur die Menschen den Baum bestaunen, sondern er selbst beobachtet und sich Gedanken macht? Zum Beispiel über den Neurowissenschaftler Tony Wong (Tony Leung Chiu-wai). Aus Hongkong kam er nach Marburg, um über die Gehirnfunktion von Babys zu forschen. Dann kommt Corona. Für Tony wird nun der Baum zum Forschungsobjekt. 1972 verliebt sich der Student Hannes (Enzo Brumm) in die Biologiestudentin Gundula (Marlene Burow). Sie beauftragt ihn während ihres Auslandsaufenthalts, auf eine Geranie aufzupassen. Sie untersucht die Interaktion der Pflanze mit anderem, das lebt. Grete, die erste Biologie-Studentin an der Universität (Luna Wedler), entdeckt 1908 ihre Liebe zur Fotografie. Ihre Aufnahmen enthüllen bis dahin unbekannte Natur-Muster.

Die inzwischen 70-jährige Ungarin Ildikó Enyedi (Goldener Bär für KÖRPER UND SEELE) ordnet diese Geschichten wie Äste an einem Stamm. Mehr ist nicht notwendig. Ihr ebenso poetisches, besinnliches und buchstäblich bildschönes Drama SILENT FRIEND hat in dem Ginkgo-Baum seinen Wachstumskern. Die Regisseurin wechselt die Stilmittel für jede Episode: Der Gegenwartsblick ist digital festgehalten, die 1970er Jahre auf 16mm und die Jahrhundertwende in Schwarz-Weiß. Ildikó Enyedi integriert den "stillen Freund" als quasi eigene Rolle. Das klingt esoterisch, ist es aber nicht, sondern entspricht vielmehr der Natur (Wortspiel beabsichtigt) ihrer Filmidee. Das ist dann großes Kino! Nicht zu vergessen: Luna Wendler gewann beim Festival in Venedig den Preis als beste Nachwuchsschauspielerin.